Das Zwiegespräch

Das Zwiegespräch

Ein wirksamer Weg zu Klärung
und Verständigung

Der Andere ist anders.

Der Andere – mein Partner, mein Freund, meine Mutter, mein Bruder, meine Kollegin – ist anders als ich selbst. Er fühlt und denkt anders, hat andere Wünsche, Bedürfnisse, Sehnsüchte, andere Ängste und Sorgen, und seine wunden Punkte an anderen Stellen als ich. Erst wenn es wieder einmal zu Auseinandersetzung, Streit, Verletzungen kommt, wird uns diese Erkenntnis schmerzlich bewusst. Ansonsten neigen wir dazu, von uns selbst auf den Anderen zu schließen. Dabei verkennen wir ihn, interpretieren ihn und projizieren nicht selten etwas in ihn hinein, das nichts mit seiner Wirklichkeit zu tun hat. Durch die so entstehenden Missverständnisse und durch fehlendes Einfühlungsvermögen kann der Streit eskalieren, und dann dauert es vielleicht Stunden, Tage oder gar Wochen, bis wir bereit sind, uns einander wieder zu nähern und zu öffnen.

Damit es gar nicht so weit kommt, damit wir den Anderen besser verstehen und von ihm besser verstanden werden, ist es notwendig, uns mitzuteilen, den Anderen dazu einzuladen, und so dafür zu sorgen, dass der Kontakt zwischen uns nicht abreisst, dass wir uns immer besser in unseren Eigenheiten und unseren sensiblen Punkten kennenlernen, uns wertschätzen und annehmen lernen wie wir sind.

Eine besonders hilfreiche und wirksame Methode, uns zu zeigen und gesehen zu werden, uns gegenseitig auf dem Laufenden zu halten über das, was uns innerlich bewegt, ist das sogenannte "Zwiegespräch", das Michael Lukas Moeller entwickelt hat. Ich habe es mit Anregungen aus der Dyadenschule von Nanna Michael und meinen eigenen Erfahrungen angereichert und weiterentwickelt.  Wenn ein Paar zu mir in die Beratung kommt, ist es eine der ersten Übungen, die ich den beiden vorschlage.

Wirkung

Das Zwiegespräch hat großen Nutzen für mich, für den Anderen und vor allem für unsere Beziehung. Es hilft,

  • wieder in einen verständnisvolleren Kontakt miteinander zu kommen
  • mich besser in den Anderen einfühlen zu können
  • unsere Beziehung zu entwickeln und zu vertiefen
  • nie den Kontakt zum Anderen zu verlieren, weil ich immer auf dem Laufenden bin, was gerade mit ihm los ist
  • selbst besser gehört und auch verstanden zu werden
  • mir Zeit für mich und meine Gefühle zu nehmen
  • Klarheit für mich selbst zu erlangen, weil ich meine Gedanken ordnen muss, wenn ich sie verbalisieren will

Wie funktioniert es?

Wir planen ein Zwiegespräch einmal in der Woche für eineinhalb Stunden. Dazu machen wir einen Termin aus wie bei einem "date". Wir sorgen dafür, dass wir nicht gestört werden – wir informieren die Kinder, gehen nicht ans Telefon, schalten das Handy aus. Dann setzen wir uns gegenüber.

A bittet nun B: "Sag mir, was dich gerade bewegt."

B horcht in sich hinein und spricht sodann über das Thema, das ihm nahe geht, bis alles dazu gesagt ist. Das dauert in der Regel 5 – 10 Minuten. A hört zu und bedankt sich anschließend dafür: "Danke." Jetzt kommt A an die Reihe. Er bekommt von B die gleiche Auffoderung (siehe oben), und erhält genau so viel Redezeit wie B. Danach wechselt man immer wieder, bis die eineinhalb Stunden um sind. Am besten stellt man einen Wecker daneben.

Das Besondere an diesem Gespräch ist, dass es kein Dialog ist, sondern ein wechselnder Monolog. So hat jeder endlich einmal die Chance, ausreden zu dürfen und nicht gleich nach dem ersten Satz unterbrochen zu werden. Dadurch bekommt man viel eher das Gefühl, wirklich gehört zu werden, das Vertrauen wächst, und ich wage, mich immer tiefer zu öffnen und zu zeigen. Es geht nicht darum, auf das einzugehen, was man vom Anderen hört, sondern nachzuschauen, was einen selbst bewegt, und dies dem Anderen zu sagen.

Regeln

Damit das Ganze nicht doch (wieder) in ein destruktives Streitgespräch ausartet, müssen allerdings ein paar Regeln ganz strikt beachtet werden, sowohl von dem, der gerade spricht, als auch von dem, der gerade zuhört:

Sprecher:

Ich spreche von mir, von meinen Gefühlen und meiner Betroffenheit, nicht vom Gegenüber.

  • Ich sende Ich-Botschaften (nicht: …man…du…wir…).
  • Ich mache keine Vorwürfe, keine Vorschriften, ich klage nicht an!

Zuhörer:

  • Ich höre wach und aufmerksam zu.
  • Ich unterbreche nicht.
  • Ich stelle keine Zwischenfragen (außer ich habe etwas akustisch nicht verstanden.

Beide:

  • Wir halten uns an die vereinbarte Zeit und bleiben bis zum Schluss des Gespräches.
  • Wir sorgen für Störungsfreiheit.
  • Wenn die vereinbarte Zeit um ist, hören wir wirklich auf.
  • Wir trinken keinen Alkohol während des Gespräches.
  • Jeder bekommt gleich viel Redezeit.
  • Wir räumen dem Gesprächstermin oberste Priorität ein und finden im Notfall einen Ersatztermin.

Variationen

Ein Zwiegespräch kann man auch themenbezogen zu gestalten, z.B. mit der immer wiederkehrenden Aufforderung

„Sag mir, was für dich Liebe ist.“ oder:

„Sag mir, was du an mir magst.“

„Sag mir ein Ziel, das du für dein Leben hast.“

„Sag mir etwas über dich und Sexualität.“

„Sag mir etwas , was du getan (unterlassen) hast, von dem du denkst, du hättest es nicht tun sollen.“

„Sag mir etwas von dir in Bezug auf Geld (Hilfe im Haushalt, Kindererziehung, Treue usw).“

Beim Fragen und Antworten wechselt man wie gewohnt  hin und her und bleibt am besten für ein Gespräch immer bei ein und derselben Aufforderung, so dass ein Thema ausführlich und tiefgehend geklärt wird.

Wenn Sie diese Möglichkeit der besseren Verständigung kennen lernen wollen, müssen Sie einen Entschluss fassen. Da es nämlich auch anstrengend sein kann, sich selbst zu begegnen – Gefühle können an die Oberfläche kommen, die man im Alltag erfolgreich verdrängt - wird Ihr Unbewusstes die ersten Male versuchen, dieses Treffen zu vereiteln. Wenn Sie allerdings die ersten zehn Zwiegespräche geschafft haben, werden Sie sie nicht mehr missen wollen.

Viele Paare berichten, durch diese Zwiegespräche eine ganz neue Tiefe und Nähe zueinander entwickelt zu haben, sich auf einer neuen Ebene begegnet zu sein, Dinge über den Anderen erfahren zu haben, die sie auch nach vielen gemeinsamen Jahren noch nicht voneinander wussten. Ich kann Zwiegespräche auch aus eigener Erfahrung nur empfehlen. Sie können damit experimentieren. Wenn Sie keine Möglichkeit haben, eineinhalb Stunden in der Woche dafür zu reservieren, dann versuchen Sie es mit einmal zehn Minuten jeden Tag, jeder fünf Minuten. Probieren Sie aus, was für Sie am besten ist. Es gibt nicht mehr und nicht weniger dabei zu gewinnen als das, was wir uns letztlich alle wünschen: Begegnung und Kontakt, Verständnis und Achtung.

Eva Orinsky, Systemische Familientherapeutin, Markt Schwaben 

Lit.:  Michael L. Moeller: „Die Wahrheit beginnt zu zweit“
Nanna Michael: Dyadenschule

Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Eva Orinsky, Systemische Familientherapeutin (HPG), Systemische Einzel-/Familientherapie, 85570 Markt Schwaben
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Eva Orinsky Systemische Familientherapeutin HPG  Systemische Einzel-Familientherapie 85570 Markt Schwaben Eva Orinsky, Systemische Familientherapeutin (HPG),
Systemische Einzel-/Familientherapie, 85570 Markt Schwaben
http://www.therapeutenfinder.com/therapeuten/paartherapie-oder-paarberatung-ottenhofen-eva-orinsky.html

Kommentare zu diesem Artikel

nina zucker (http://nina-zucker-gestalttherapie.de) schrieb am 07.06.12 dazu:

Richtig gut beschrieben, was ein Zwiegespräch ist und wie es funktioniert. Ich würde meinen Klienten empfehlen diesen Artikel zu lesen... fast eher als sich das ganze Buch von M.L.Möller zu Gemüte zu führen... So klar und unkompliziert die wichtigen und schönen Seiten von Zwiegesprächen beschrieben..Danke!

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