ICH HAB DEN TON NOCH IM OHR

ICH HAB DEN TON NOCH IM OHR

„Das hätte ich nie für möglich gehalten!“ Der junge Mann schaut mich mit strahlendem Lächeln an. Fünfundvierzig Minuten zuvor saß er mir noch mit hängenden Schultern verzweifelt gegenüber.
Doch zurück zum Anfang.Jens ist klassischer Sänger. Er war vor einigen Tagen beim Vorsingen für eine größere Rolle an einem sehr renommierten Schauspielhaus. Doch er hatte einen „Aussetzer“ und bekam die Rolle nicht. Da er bald wieder vorsinge, brauche er so schnell wie möglich wieder einen „klaren Kopf“.
Wie gut seine Ausdrucksweise zu der Methode passt, denke ich und erkläre ihm die Vorgehensweise beim wingwave-Coaching.

Der Hase ist zu alt zum Klavierspielen

Sind wir von einem Thema gestresst oder irritiert, wirkt sich das unmittelbar auf den Muskeltonus unseres Körpers aus. Ich demonstriere Jens anhand des O-Ring-Tests, wie rasch eine verwirrende Aussage die Kraft zwischen Daumen und Zeigefinger schwächen kann. Ist eine Aussage für „das System“ in Ordnung, kann ich an seinen Fingern noch so zerren, der Ring bleibt geschlossen. Doch schon ein semantisch falscher Satz, wie „Der Hase ist zu alt zum Klavierspielen“, schwächt das System, und obwohl Jens Daumen und Zeigefinger mit Macht zusammenhalten will, lässt sich der Ring ganz leicht öffnen.
Durch diese Kalibrierung wird zum einen das Kraftniveau ausgelotet und sie garantiert zum anderen eindeutige Testergebnisse. Der Myostatiktest (griech.: myo = Muskel) wird im Verlauf des wingwave-Coachings mein Stressindikator, mit seiner Hilfe kontrolliere ich immer wieder,
ob Jens die Aussagen im wahrsten Sinne des Wortes „verkraften“ kann.

Nachdem wir einen sicheren Ort als Blanko-Ressource etabliert haben, überprüfe ich mit dem Myostatiktest, ob wir mit seinem Thema „Aussetzer/Blackout beim Vorsingen“ arbeiten dürfen. Ich lasse mir dann alle Details der Situation schildern, in der Jens den Aussetzer erlebte. Während er erzählt, bilden Daumen und Zeigefinger weiter den Ring, und ich teste seine Stärke immer wieder, um die Stressquelle zu ermitteln. Zunächst scheint alles in Ordnung. Das, was
Jens erzählt, bringt ihn keinen Augenblick aus der Fassung. Ich bitte ihn, noch einmal an jede Kleinigkeit zu denken, die ihm einfällt.Er geht erneut die Situation durch – und gelangt zu einem vermeintlich unbedeutenden Nebensatz: „Da hat sich ein Prüfer so geräuspert.“ Er macht spontan das hustende Geräusch nach. Dabei lassen sich Jens’ Finger ganz leicht auseinanderziehen.
Genau an dieser Stelle war er beim Vorsingen nicht mehr in der Lage, auch nur einen weiteren Ton über die Lippen zu bringen. Was war da los?

Ich bin hilflos

Der Myostatiktest gibt mir die Information, dass es zunächst um eine schwächende Emotion geht: Panik. Physisch macht sie sich als Druck auf der Brust bemerkbar. Auf einer Skala, die das Ausmaß seiner subjektiven Berührtheit angibt (von +10 = sehr angenehm berührt bis -10 = sehr unangenehm berührt), gibt Jens einen Negativwert von -6 an.
Wie er sich selbst als Person erlebt, wenn er an die Situation denkt (negative Kognition), zeigt erneut die schwache Muskelreaktion: „Ich bin hilflos.“ Auch hier beziffert er das Ausmaß des unangenehmen Gefühls mit einem Wert von -6. Ich frage ihn, wie er sich lieber sehen würde (positive Kognition). Sein Antwortsatz lautet: „Ich bin souverän.“ Doch der schwache Test auf diesen Satz hin macht klar, dass das ein hehrer Wunsch ist. Jens schätzt seine Glaubwürdigkeit
auf der Skala mit einem zerknirschten „maximal 2“ ein. Und er kann sich noch nicht so recht vorstellen, dass der Satz bis zum Ende dieser Sitzung für ihn an Glaubwürdigkeit gewinnen könnte.

Nun komme ich zu seinem Gefühl der Panik. Hier setze ich mit einem raschen „Winkset“ vor seinen Augen ein. Er folgt meinem Winken mit seinem Blick, und diese raschen Augenbewegungen wirken durch die neurobiologische Ausbalancierung der beiden Gehirnhälften entspannend und stressreduzierend.
Normalerweise verarbeiten wir nachts während der REM-Phase (REM = Rapid Eye Movement) alle Tageseindrücke und die damit einhergehenden Emotionen. Zu erkennen ist dies am raschen Hin- und Herrollen der Augäpfel unter den geschlossenen Lidern. Diese Bewegungen bewirken eine bilaterale Synchronisation der beiden Hirnhälften. Was wir erleben, wird durch dieses natürliche Stressmanagement tatsächlich „im Schlaf“ emotional reguliert. Für unser „System“ ist das existenziell, um im Leben entsprechend unbelastet (re)agieren zu können.

Anmache auf dem Schulweg

Im wingwave-Coaching werden diese Bewegungen durch das Winken im Wachzustand herbeigeführt, indem der Coach seine Finger vor den Augen des Klienten zügig hin und her bewegt, eben „winkt“. In der Traumatherapie kennt man diese Intervention als EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing).
Zurück zu Jens. Schon nach dem ersten Durchgang spürt er Erleichterung. Panik stresst ihn nicht mehr. In weiteren Muskeltests taucht allerdings noch eine Situation auf, die ihn schwächt. Auch hier navigiert uns der Myostatiktest zu den entscheidenden Punkten. Er bringt uns in die Vergangenheit. Wir sind in Jens’ Jugend, und zwar beim Alter von 15 Jahren angelangt. Hier geht es offenkundig um einen typischen Biografie-Stress, um ein Ereignis in der persönlichen Lebensgeschichte, das Jens nicht verarbeiten konnte.

Da Jens nicht sofort eine Situation in den Sinn kommt, forschen wir mit dem Test weiter. Bald schon erinnert er sich, dass er einmal auf dem Schulweg von zwei Mitschülern heftig in die Mangel genommen wurde, ohne Gegenwehr leisten zu können.
An seiner Mimik erkenne ich schon, dass wir auf der richtigen Spur sind. „Die waren irgendwie immer hinter mir her, haben mich jedes Mal blöd angemacht.“ Das war für ihn vermutlich latent eine unerfreuliche Situation.
Der Muskeltonus bleibt zu seiner Verwunderung jedoch stark. Plötzlich schaut er mich mit großen Augen an. Einer der beiden Angreifer war zu dem Zeitpunkt stark erkältet und hat immer wieder „gehüstelt“. Er macht reflexartig dieses Geräusch nach und seine Finger lassen sich mühelos öffnen.

Hier ist der Ursprung für seine Reaktion während des Vorsingens. In dem Moment, als Jens das Räuspern vernommen hat, wird ein alter Film in seinem Kopf reaktiviert. Da das Unterbewusstsein keine lineare Zeit kennt, erlebt Jens die Gegenwart wie die damalige Bedrohung. Sein limbisches System ist in Alarmbereitschaft.
Der akustische Trigger ist seit der alten Erfahrung mit „Angriff“ gleichgesetzt und lässt ihn in Starre verfallen. Oft gibt ein Klient dies auch sprachlich zu erkennen, sodass er sich daran erinnern kann, als wäre es heute geschehen.
Jens sagt, er habe „den Ton noch genau im Ohr“. Nach zwei Sets von Augenbewegungen teste ich wieder. Sein System bleibt stark.
Mit der gleichen Vorgehensweise bewinke ich ein Gefühl von Schuld. Es geht noch einmal in die Vergangenheit, diesmal in die Kindheit. Jens erlebte mit sieben Jahren einen Streit zwischen den Eltern. Dabei meinte er damals, er sei der Grund dafür gewesen, und er habe sich schuldig gefühlt.

In Zukunft mit klarem Kopf

Kaum fange ich an zu winken, grinst er und weiß, dass die Schuld nun Geschichte ist. Jens’ System testet bereits nach den wenigen Interventionen mit der gesamten Thematik stark. Dies
spricht dafür, dass es sich bei seinem „Aussetzer“ um eine isolierte Blockade handelt. Er ist grundsätzlich eine gesunde und stabile Person und absolut in der Lage, seinen Alltag zu bewältigen. Lediglich die emotionale Blockade, die ihn während des Vorsingens ereilt hat, verursachte eine Disbalance.
Ich prüfe für das nächste Vorsingen den eingangs gewünschten klaren Kopf. Dazu schicke ich Jens in die Zukunft. Ich beschreibe die künftige Prüfungssituation in verschiedenen Variationen, während ich stetig teste.
Ganz unvermutet nehme ich – mit akustischem Einsatz – ein Räuspern dazu. Jens’ Finger halten wie festgeklebt zusammen und er sagt mir, dass er „völlig relaxed“ sei.

Noch entspannter wirkt er, nachdem er nun die vergangene Situation auf der Stress-Skala bei einem positiven Wert von 7 einordnet und seine positive Kognition – „Ich bin souverän“ – auf der Skala mit 6 hält. Ich webe mit langsamen Bewegungen diesen kraftspendenden Glaubenssatz ein, sodass er sich integrieren und „die Runde machen“ kann.

Es ist keine Neuigkeit, dass viele aktuelle Situationen, die wir als unangenehm empfinden, ihren Ursprung an ganz anderer Stelle unserer Biografie haben. Sie sind, wie auch in diesem Beispiel, lediglich Auslöser. So mancher Klient hat bei dieser Erklärung schon im Vorgespräch darüber gestöhnt und befürchtet, „wieder ewig in der Ursuppe rühren“ zu müssen.
Das ist gar nicht immer nötig. Liegt aber in der Biografie etwas „vergraben“, lässt sich eine fokussierte Bearbeitung nicht vermeiden. Durch die punktgenaue Testung beim wingwave- Coaching ist die Wurzel des Übels jedoch meist recht schnell gefunden. Das Problem muss nicht lang erkundet werden.

Die Methode führt nicht nur rasch, sondern hoch effizient und nachhaltig zu positiven Resultaten. Selbst eine stark belastende Erfahrung wird zu einer faktisch-integrierbaren Information transformiert. Damit sei auch der Irrglaube ausgeräumt, dass es lange dauere, ein altes Problem zu lösen. Es darf auch schnell gehen.
Apropos: Nach ein paar Wochen rief Jens mich an und erzählte lachend, dass er in der kommenden Spielzeit die Hauptrolle in einer Oper singen wird.

in: Praxis Kommunkation - Angewandte Psychologie in Coaching, Training und Beratung 01/2017, S. 61f.

Weitere Informationen:
http://www.karin-pilot.de/angebot/wingwave

Verfasser und Verantwortlich für den Inhalt:
Karin Pilot, wingwave-Coach, Systemische Beraterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coaching und Beratung, 10585 Berlin
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